Hallo Markus,Markus hat geschrieben: ↑Di 23. Mai 2023, 12:23 Anscheinend hat es mal Bestände in Hamburgs Mitte gegeben.
Der extreme Bauboom dort, hat sie wohl vertrieben
Schade dass Naturschutzverbände dies nicht verhindern konnten.
https://www.ornithologie-hamburg.de/ind ... auersegler
da warst Du hier in Hamburg und ich bin in der Zeit nach Krefeld gefahren.
Sehr schade, wir hätten so schön einen Kaffee zusammen trinken können.
Und dann hätte ich Dir gleich die ganze Misere der toten Hamburger Innenstadt erklären können.
Es wird jetzt ein bisschen länger in der Ausführung und vielleicht nur interessant für Architekturnerds?
Aber irgendwie gehören Architektur und Mauersegler ja auch zusammen.
Das Problem ist nicht der Bauboom, sondern Hamburgs Leidenschaft für den Abriss älterer Gebäude.
So hat sich die Stadt die Bezeichnung "Freie und Abrissstadt Hamburg" hart und redlich verdient.
Schon vor rund 120 Jahren prägte der Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark (1852-1914), das Wort von der „Freien und Abrissstadt Hamburg“.
Er beklagte bereits zu seiner Zeit: "Wohl keine Kulturstadt der Welt hat je eine solche Selbstzerstörungslust entwickelt wie Hamburg."
So geht das bis heute und es scheint die DNA dieser Stadt zu sein, alte Gebäude abzureißen, um an diese Stelle größere Gebäude mit deutlich mehr Bruttogeschossfläche zu bauen.
Die Hamburger sind halt Kaufleute, was kümmert sie der Denkmal- oder Naturschutz. Und dass sie ihre Stadt verschandeln, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Sie glauben immer noch, dass ihre Stadt für alle Touristen unwiderstehlich ist.
Hier einige Links, der älteste Artikel ist von 2002.
https://www.welt.de/print-welt/article3 ... mburg.html (2002)
https://www.spd-fraktion-hamburg.de/bue ... dt-hamburg (2007) die SPD war zu der Zeit nicht Regierungspartei, ist aber keinen Deut besser.
https://www.abendblatt.de/hamburg/artic ... ultur.html (2012)
https://www.zeit.de/2015/27/weltkulture ... ettansicht (2015)
https://taz.de/100-Jahre-Denkmalschutzgesetz/!5744178/ (2021)
https://www.mopo.de/hamburg/freie-und-a ... t-hamburg/ (2022)
Auf dieser Seite findet Ihr die Verluste der letzten Jahre.
https://www.denkmalverein.de/verluste
Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit kann ich kurz schildern.
Wichtig für den Innenstadtbereich sind u.a. folgende Gebäude, in denen Mauersegler ihre Nester hatten:
„Europahaus“ von 1913 an der Binnenalster (Abriss 2003)
"Deutschlandhaus" von 1929 am Gänsemarkt, (Abriss 2018)
"City-Hof" von 1958 gegenüber vom Hauptbahnhof (Abriss 2019)
"Kontorhaus Leder-Schüler" von 1928 Hammerbrook (Abriss 2022)
Daneben wurden noch jede Menge Gründerzeithäuser abgerissen und weitere moderne Gebäude aus den 60ern.
Am Deutschlandhaus hatte Alexander Mitschke von der Hamburger Vogelschutzwarte bei Ornitho eindrücklich beschrieben, wie ein heimkehrender Mauersegler den ganzen Tag die Brandmauer abflog und verzweifelt seinen Nistplatz suchte.
Es wurden aber sogar Ersatznistkästen für die Bauzeit aufgehängt und im neu entstehenden Gebäude sollen ebenfalls Nistkästen vorhanden sein.
Ich habe mich neulich mit dem Architekten Hadi Teherani darüber unterhalten, er wusste von nichts. Hoffentlich wissen die Ingenieure mehr.
Und wollen wir mal hoffen, dass die Stadt auf die Umsetzung drängt.
Damit kommen wir zum nächsten Problem: Die entsprechende Stelle bei der Behörde für Umwelt ist mit einer einzigen Halbtagskraft besetzt.
Man kann sich vorstellen, dass man bei dem angesprochenen Bauboom im großen Hamburg da nicht hinterher kommen kann.
Der oben erwähnt Abriss des City-Hofs hatte mich sehr geärgert und ich war in einem Verein aktiv, der versucht hat, den Abriss abzuwenden.
http://www.city-hof.org/
Unsere letzte Idee war, nachzuweisen, dass Mauersegler in dem Gebäude brüten.
Es gab ein Gutachten, aufgegeben und bezahlt vom Investor. (Ja, das ist rechtens, ich konnte es auch nicht glauben.)
In diesem Gutachten steht wörtlich:
"Von Mai bis Juni 2018 wurden die Gebäude mit insgesamt sechs Beobachtungsgängen mit jeweils drei Personen auf Gebäudebrüter (insbesondere Mauersegler) untersucht. Hierbei kam auch ein Spek-tiv (ZEISS Diascope 85 T* FL LT 3.3``/85mm) zum Einsatz."
Und an anderer Stelle:
"Ein Brutplatz des Turmfalken befindet sich in ca. 300 m Entfernung an der Hauptkirche St. Jacobi. Eine direkte Nutzung der untersuchten Gebäude durch den Turmfalken oder die Lachmöwe besteht nicht. Während der Untersuchung wurden mehrfach Mauersegler kreisend über und zwischen den Gebäuden beobachtet. Hierbei kam es zu einer maximalen Individuenanzahl von acht. Ein- oder Ausflüge aus potenziellen Brutplätzen an den Gebäuden wurden nicht ermittelt. Die Brutplätze der Mauersegler scheinen weiter im Westen zu liegen, was im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht weiter verifiziert werden konnte."
Wir alle hier wissen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die zwischen den Türmen kreisenden Mauersegler dort ihre Nistplätze hatten.
Und da so früh im Jahr tagsüber an den Nestplätzen nichts los ist, sieht man auch nicht die richtige Anzahl an Brutpaaren.
Gefüttert wird meist erst im Juli, da wurde nicht beobachtet.
Die Türme sind in den 70er Jahren mit Asbestplatten verkleidet worden, sodass sich viele Ritzen, Hohlräume und Nischen ergeben haben.
Fledermäuse werden dort auch gelebt haben, danach konnte der Gutachter aber nicht suchen, weil er in das Gebäude gar nicht rein kam.
Ich wollte dann eigentlich zur abendlichen Einkehrzeit der Segler Wache halten und die Einflüge dokumentieren.
Leider hatte ich aber im Juni 2019 einen Fahrradunfall und konnte meinen Beobachtungsposten nicht beziehen.
Und es kam mir gar nicht in den Sinn, meine Freunde aus dem Neuntöter e.V. zu fragen, die das sicherlich gemacht hätten.
Nun sind die Türme und die Mauerseglerplätze Geschichte.
Die erwähnten Turmfalken sind übrigens Wanderfalken. Soviel zur Qualität des Gutachtens. Und Wanderfalken schlagen auch gerne mal Mauersegler im Bereich der Innenstadt.
https://www.natur-beobachtungen.de/file ... segler.jpg
Die gute Nachricht: Es gibt noch Mauersegler in der Innenstadt! Ich habe neulich an den Landungsbrücken mehrere Exemplare beobachten können und meine Tochter, die in der Innenstadt arbeitet, hat heute noch welche gesehen. Im Vergleich zu früher sind es verschwindend wenige.
In der Innenstadt wohnen aber auch keine Menschen, insofern belastet die tote Innenstadt niemanden.