Hallo Rebecca!
Auch heute wurde er wieder gesichtet...
Ich hatte ja ab Oktober das Zurückbleiben der Alpensegler ziemlich lückenlos bei ornitho.de verfolgt und mir zunehmend Sorgen gemacht, dass das eintritt, wovon Du jetzt berichtest (Andrea hatte sich
Hier ja auch schon dahingehend geäußert).
Der Ende November relativ gleichzeitige Abflug der Spätzieher hat mich (etwas) beruhigt. Wären sie wirklich geblieben, hätten sie nach und nach - also nicht gleichzeitig - ausfallen müssen.
Möglicherweise wird eine Kontrolle der Schlafplätze uns aber später zeigen, dass ich leider nicht Recht hatte.
Was die Theorie mit der Verdriftung betrifft: Das späte Auftreten der 30-er Gruppe in Offenburg nach längerer AS-freier Zeit spricht dafür. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das die Segler waren, die sich auch in Freiburg zu derselben Zeit zeigten. Die Tatsache, dass die Freiburger in Herdern und Betzenhausen in bekannte Brutquartiere zur Übernachtung einflogen, zeigt meiner Meinung nach, dass sie diese Quartiere kannten, also ortsansässig waren. Bei Verdriftung gehe ich aber davon aus, dass die Vögel in für sie unbekannte Gegenden verschlagen werden. Das spricht dann wieder gegen diese Theorie.
Die Sache mit dem ausreichenden Abfluggewicht verstehe ich nicht ganz. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Ziehen und Fressen bei Seglern durchaus gleichzeitig stattfinden kann. Wenn dann der Zug auch noch in eine Richtung läuft, in der mehr Futter zu erwarten ist, dürfte der Hunger doch eher Motivation als Bremse sein. Im Falle der skandinavischen Mauersegler kann ich mir eher ungünstige Windrichtungen in Kombination mit schlechtem Wetter als Ursache für deren nicht erfolgten Abflug vorstellen. Im Falle der Alpensegler scheint Nahrung im späten Oktober vielleicht noch nicht das große Problem gewesen zu sein, einige Tage später war es das aber sicher!
Warum bleiben dann einige? Vielleicht ergibt ein Vergleich mit Mauerseglern doch einen Lösungsansatz: Brutgebiete der MS liegen im Wesentlichen nördlich des 35. Breitengrades. Deshalb ist die gesamte Population darauf angewiesen, in der kalten Jahreszeit nach Süden auszuweichen.Für die wenigen Brüter in Israel, Syrien oder Nordafrika mag das eine etwas kleinere Rolle spielen, macht aber auch hier Sinn. Konsequenz: Mauersegler haben einen sehr stark ausgeprägten Zugtrieb, der sie zwingt, die Aufenthalte in den Brutgebieten möglichst kurz zu halten. So fallen uns im Forum schon Abreisedaten nach dem 15. August auf, vielleicht machen sie uns sogar ein bisschen nervös.
Bei den Alpenseglern ist die Population noch lange nicht so weit nach Norden vorgedrungen. Es gibt sogar Populationen, die ganzjährig anzutreffen sind. Aber auch die meisten europäischen Brutgebiete liegen in klimatisch günstigeren Gegenden. Da sind die Brutgebiete in Baden Württemberg schon die nördlichsten! Deshalb scheint das Wegziehen für die Alpensegler nicht so essentiell zu sein. Während die MS zugtriebbegingt schon Schwierigkeiten haben können eine Spätbrut zu Ende zu bringen, scheint die Abreise bei den Alpenseglern "entspannter" abzulaufen. Möglicherweise lassen sie sich durch ein ausreichendes Nahrungsangebot länger an einen Ort halten und die Tageslänge spielt eine weniger große Rolle. Durch ihre Körpergröße und -masse werden sie auch mit Kälte besser klarkommen, was gut ein weiterer Grund für ihre relativ frühe An- und Abreise sein kann. Zusammengefasst: bei Alpenseglern spricht vieles für einen weniger ausgeprägten Zugtrieb. Im Grunde sind sie immer noch "Südländer", die den Norden ausprobieren.
Markus, Du hast geschrieben, dass Alpensegler wahrscheinlich zu den Gewinnern des Klimawandels gehören werden. Auch ich kann mir gut vorstellen, dass das so ist (wenn ich auch selber wohl keine Brutvögel in Verl mehr erleben werde). Sie werden sich klimabedingt wohl langsam weiter nach Norden ausbreiten. Das wird sie aber auch nicht davor bewahren, hier und da fatale Fehler zu machen. Zumindest für den letzten Freiburger sieht es meiner Meinung gar nicht gut aus, ich kann mir leichter vorstellen, dass sein Begleiter es nicht geschafft hat als dass er doch noch weggezogen ist.
Am Ende haben wir mehr Fragen als Antworten. Auch meine hier vorgestellten Theorien sind am Ende nur Spekulation. Und wenn es auch gegen alle Prinzipien der Evolution spricht, so hoffe ich immer noch, dass der letzte Freiburger doch noch den Abflug schafft.
Liebe Grüße H.-G.