Leider geht man manchmal durch die Hölle und hat das Gefühl, dass das Herz zerspringt
Freitag morgen entdeckte ich als erstes eine tote Schwalbe auf dem Boden in der Garage
Absolut unversehrt, das Gefieder völlig in Ordnung. Auch Verletzungen waren nicht erkennbar. Das schließt wohl eine Katze als Täter aus (meine Katze hätte jedenfalls nichts von ihr übrig gelassen, aber die war ja auch drinnen, eiskalt eingekerkert im HWR)
Was könnte wohl der Grund gewesen sein? Evtl Kämpfe mit den alteingesessenen Garagenbewohnern? Keine Ahnung...
Die zumindest sind noch vollzählig vorhanden... gottseidank.
Das Männchen ist ja sehr kampflustig, wenn da fremde Schwalben in seine heiligen Hallen einfliegen...
Trotzdem bin ich sehr traurig über den Tod der "fremden" Schwalbe
Dann gab es eine Tragödie am Nachmittag:
der kleine McFly ist beim Freiflug einfach so vor's Fenster geflogen.
Er fiel auf den Boden und drehte sich mit einer rasenden Geschwindigkeit immer wieder nach hinten, wie ein Salto - den Kopf ganz nach hinten überstreckt und wie wild am flattern. Ich bin schnell hin und hab sofort meine Hand auf ihn gelegt, um ihn zu beruhigen und zu stabilisieren. Er blutete auf den ersten Blick am oder aus dem Schnabel, was jedoch schnell aufhörte. Ich werde diese Bilder und dieses Geräusch nie, nie wieder vergessen... ich lag auf Knien vor ihm, hab ihn gehalten und hab so schlimm geweint
Ich hatte solche Angst um ihn.
Ich weiß, ich kann nicht alles verhindern und alle Gefahren ausschalten, trotzdem gebe ich mir irgendwie die Schuld für dieses Unglück... ich hätte mich vielleicht woanders hinstellen sollen, dann wäre es womöglich nicht passiert.
Ich nahm ihn hoch und hielt ihn ca 30 Minuten stabil in der Hand, schön dunkel. Er lebte noch, machte aber einen schlimmen Eindruck - Augen geschlossen und völlig teilnahmslos. Aber er atmete regelmäßig und ruhig und röchelte nicht. Ich machte einen Schuhkarton fertig und setzte ihn hinein und stellte ihn in ein dunkles Zimmer - zur Überwachung habe ich eine Kamera daneben gestellt, damit ich nicht unnötig störe.
Und wenn man nicht mehr damit rechnet, wendet sich plötzlich alles zum Guten
Nach ungefähr 2 Stunden nahm er wieder etwas Futter an, aber er sah mit seinen etwas blutverschmierten Federn an Kehle und Brust wirklich schlimm aus. Er hat dann fast 24 Stunden im abgedunkelten Raum verbracht, meistens schlafend. Nun, seit Samstag morgen fraß er dann wieder wie ein Scheunendrescher und putzte auch sein Gefieder wieder wie gewohnt. Er war sehr aufmerksam, hatte keinerlei Gleichgewichtsstörungen, Flügel, etc. waren in Ordnung und er "sprach" auch wieder mit mir. Dazu hatte er eine minimale Schwellung an der rechten Kopf-/Halsseite, die aber relativ schnell wieder abgeklungen war. Sonntagmorgen flog er wieder, schlug wilde Haken, so dass man Angst bekam, nahm das Heimchen direkt im Flug von der Pinzette und war quietschfidel. Ich sah nach seiner ausgiebigen Gefiederpflege dann die Stelle, wo er geblutet hatte - direkt unter dem Schnabelrand ist eine längliche Wunde, die wohl der Ursprung der Blutung war. Der Schnabel selbst ist aber völlig in Ordnung. Er hat so viel Glück gehabt und ich auch...
Gestern Nachmittag hab ich dann nochmal den Versuch gewagt und bin mit ihm raus, weil es drinnen nicht mehr auszuhalten war. Er verweigerte ziemlich energisch das Futter und flog immer wieder weg, um sich die Stubenfliegen und die gekescherten Wiesenfliegen, die im Zimmer herumbrummten, selbst zu holen. Und er wurde sowas von aufdringlich, flog mir beim Betreten des Zimmers laut krähend direkt ins Gesicht, landete ständig auf meiner Schulter und krabbelte dann soweit nach hinten auf den Rücken, dass ich ihn mit der Hand nicht erreichen konnte, knabberte an meinen Haaren rum, wollte Sonntagabend unbedingt auf meiner Schulter schlafen und machte ständig so kleine, merkwürdige Kampfgeräusche - eine richtige (pubertäre) Nervensäge, die die lästige Glucken-Mutti loswerden wollte
Die Zeichen waren eindeutig - er musste raus, er war soweit (schließlich war er schon seit 9 Tagen flügge!!!)
Also Level 1000 - Adios Amigos!
Nachdem er draußen ca. 20 Minuten den anderen Schwalben nachgesehen hat, düste er ohne Vorwarnung los. Er ließ sich nach einer Stunde nochmal kurz blicken und antwortete auf mein verzweifeltes Pfeifen (ja, ich wollte, dass er wieder kommt und habe so sehr gehofft - er kann doch nicht einfach so abrupt unsere Beziehung beenden) und dann war er weg und kam auch nicht wieder - bis 21.45 Uhr hab ich -mittlerweile als menschlicher Eiszapfen- draußen ausgeharrt, aber er kam einfach nicht. Stattdessen flog ein Pulk von ca. 15 Jungschwalben schnatternd über meinen Kopf weg und ich habe mir einfach vorgestellt, dass er jetzt dabei ist.
Auch heute keine Spur von ihm. Ist aber auch wenig los hier.
Ich bin ein bisschen traurig, aber auch überglücklich, dass wir das alles auf die Reihe gekriegt haben und er jetzt hoffentlich irgendwo den Anschluss an eine Gruppe gefunden hat - alles andere kann und will ich mir nicht vorstellen. Aus dem kleinen nackten Winzling, dem ich vielleicht eine 10%ige Überlebenschance gab, ist eine wunderschöne Schwalbe geworden, die jetzt endlich mit den Artgenossen auf Trallafitti gehen und ihr Leben genießen darf und auch soll, denn dafür ist sie gemacht.
Und:
Ich würde es jederzeit wieder tun, immer, egal, wie zeitintensiv das auch ist. Dann steckt man halt mal Motze vom Chef ein, dass die Arbeit nicht erledigt ist. Nichts kann für mich in dem Augenblick wichtiger sein - ein Riesenvorteil ist dann natürlich das Homeoffice, da hängt man dann halt die Arbeit hintendran, wenn die Fressmaschine schläft
Hier das letzte Bild:
Und nun brauche ich Zeit, meine Trauer zu verarbeiten, dass er mich nach fast einem Monat einfach so verlassen hat
LG
Pamela